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5. internationales Foodsharing Festival vom 12.-14.08.2016 in Berlin-Schöneberg

5.167.184. Die Zahlen surren über den Bildschirm wie die Früchte eines einarmigen Banditen. In einem Erklärungsvideo huschen gezeichnete Männchen in weißen Anzügen bedruckt mit roten Kreuzen Richtung Rettungswagen. Sie tragen nicht etwa Leichen, sondern Lebensmittel, in diesem Fall Brötchen, und zwar kiloweise. Eine virtuelle Frauenstimme beschreibt mit der Loungemusik eines Beachclubs unterlegt den Pilgerweg eines „Foodsavers“ – Lebensmittelretter*innen. Sie retteten bis dato 5.167.184 Kilo Lebensmittel, geldfrei. Zurück in die Zukunft: vom 12. – 14.08.2016 treffen sich diese zum 5. internationalen foodsharing Festival in Berlin.

von Lena A
Themen Lebensmittel und Ernährung Nachbarschaft Abfall
12 August 2016

Überbleibsel vor dem Urlaub oder nach der großen Fete in den digitalen Essenkorb schmeißen. Das rettet deinen Kühlschrank vor Schimmelsporen, das Essen vor dem Müllcontainer und befüllt hungrige Mäuler kostenlos. Auf der Seite www.foodsharing.de findest du eine Art Geocaching des Gemüses, eine Schatzkarte, die Punkte in deiner Region aufzeigt, an denen Kühlschränke oder Regale stehen, die überschüssige Lebensmittel umverteilen; Neologisten sagen Fairteiler. Das Prinzip folgt einem schwarzen Brett, Nutzer*innen verorten und beschreiben ihre Lebensmittel, die sie nicht mehr brauchen und verabreden sich mit Abnehmer*innen oder bringen den Schmaus zu einer dieser Sammelstellen.

Bedienen können sich an den Lebensmitteln alle, von Privatperson bis Suppenküche, Tafel oder anderweitig gemeinnützigem Verein, ohne selbst etwas mitzubringen. Im Erklärungsvideo zu foodsharing hören sich Helferpositionen nach einem durchstrukturierten Großunternehmen an – Betriebsverantwortliche*r, Botschafter*innen und Worte wie Koordination, Generierung neuer Kooperationspartner*innen und Entlastung von Angestellten fallen. Letztere arbeiten meist bei Betrieben, die entweder Lebensmittel verarbeiten, oder sie an den interessierten Kunden gegen Metall abgeben, auch mit solchen Unternehmen kooperiert foodsharing, um dort Lebensmittel vor dem sicheren Tod zu bewahren. Beim foodsharing geht es allerdings darum, keine Gelder, sondern Willen zu akquirieren, um moderne gesellschaftliche Zustände zu verändern und das funktioniert, wie foodsharing zeigt, im großen Stil. Solange alle satt sind, ist der Grundstein für ein gutes Leben gelegt. Geld ist dieser Idee folgend eher Störfaktor, nicht zuletzt wegen des Bürokratie-Krakens. Deshalb setzt foodsharing auf 100% ehrenamtliches, unentgeltliches Engagement, das sich vielleicht eher in einem schokolierten Porsche auszahlt.

Vom 12.-14.08.2016 findet in Berlin das fünfte internationale foodsharing Festival statt. Liest sich erstmal wie eine Szene aus Sex and the City beim Klamotten-Ausverkauf – 500 Zombie-Menschen, die sich chaotisch alles unter den Nagel reißen, was herumliegt. Wie bei einem neuen iPhone-Launch bieten die Veranstalter*innen an, sich mit Zelt bewaffnet auf der Wiese des Veranstaltungsorts, der Malzfabrik, auf die Pirsch zu legen. Natürlich läuft das etwas anders ab: wie die Lebensmittel teilen passionierte foodsharer, unter ihnen Neulinge wie alte Kartoffeln, ihre Schlafplätze und vernetzen sich dafür an einer Börse; um im Jargon der Ökonomie zu bleiben. Am Freitag trödelt die Gesellschaft fröhlich ein, entgegen des Geldes kommt auch die Lebensmittelrettung nicht ohne Socialisen aus. Ist ja auch viel angenehmer.

Samstag und Sonntag trainiert statt Bizeps der Fokus beim Qigong. Anschließend ein erster Ideenaustausch beim Frühstück, um’s Essen soll es schließlich gehen. Sind die Mägen erstmal befüllt, tobt sich der Kopf in 25 Workshops aus, die wie Vorträge aus ehrenamtlichen Engagements rühren. Themen reihen sich um Utopie, die das Wort Wandel „by design or by desaster“ schmückt, Degrowth, Permakultur und, last but not least, das Lieblingsthema der Veganer*innen: Aufstriche (und Smoothies). Wer sich schon immer fragt, wie man mit der Adoption eines Kaninchens die Welt retten kann, findet darauf beim foodsharing Festival genauso Antworten, wie auf die Frage „Was unterscheidet dieses gezackte Straßengrün von meinem plastikumwickelten Bio-Rucola aus dem Supermarkt?“ – Kleiner Teaser: Höchstens, dass letzterer ein Paar Münzen voraussetzt. Im Rollenspiel „Spiel des Gebens“ optimieren Mitmacher*innen ihre Kommunikationsfetische, um in der Folge neue Regeln der Ökonomie zu definieren. „Tolle Künstler*innen“ geben dem Festival einen musikalischen Rahmen und locken hoffentlich die letzten Laibe aus der Tonne wie die Schlange aus dem Korb.

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