Sind wir mit unserem System an ein Ende gelangt? Brauchen wir neue Formen des Zusammenlebens? Und wie kann das aussehen? Haben wir Grenzen in unserem Denken, die uns davon abhalten, etwas Neues aufzubauen? Wie können wir frei und offen kommunizieren und alle teilhaben lassen?
MOVE, das steht für: Miteinander, Offen, Vertrauensvoll, Emanzipatorisch. MOVE will bewegen. Das Zusammentreffen verbindet Wachstums- und Herrschaftskritik mit Commons, dem bedingungslosen Teilen und der Vorstellung einer Welt nach Bedürfnissen und Fähigkeiten. Auf dem Gelände des Kulturkosmos e.V., das normalerweise Raum für die Fusion bietet, soll dieses Jahr vom 21. - 25. Juni ein Ort der Begegnung entstehen. Hier sollen sich Menschen austauschen, sich gegenseitig Wissen vermitteln, Gemeinschaft bilden und Alternativen leben und feiern.
Nach den Veranstaltungen in den letzten Jahren "Utopival" und "Utopikon" kommen für die Organisation von MOVE Utopia noch mehr Initiativen zusammen. Diesmal sind es nicht nur die Bildungsaktivisten für geld-freieres Leben von living utopia, sondern mit ihnen die Bundeskoordination Internationalismus, kurz BUKO, unter anderem mit Friederike Habermann, das Konzeptwerk Neue Ökonomie aus Leipzig, die yunity-Bewegung und einige mehr.
Alle, die sich mit den Themen weiter befassen wollen, können sich in einiger Zeit über die Internetseite für die Juni-Tage anmelden. Wer noch zur Organisation beitragen möchte, meldet sich, ebenfalls über die Internetseite, bei den Initiatoren. Vor allem vor Ort werden noch Helfer gebraucht.
Wir haben mit Lotte Selker vom MOVE gesprochen und ihr einige Fragen gestellt.
BIW: Wie ist die Idee entstanden? Die erste Idee für MOVE Utopia gab es auf der Utopikon 2016? Wie ging es von da aus weiter?
L.S.: Die Idee des MOVE wurde während einer Phase der World Café-Methode besprochen. Dort haben sich der Name und die Idee entwickelt. Von da aus gab es eine Online-Vernetzung und Friederike Habermann, die auch bei der BUKO dabei ist, hat die mit ins Boot geholt. Das erste Planungstreffen war im Januar in Kassel, zu dem ca. 30 Menschen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen kamen.
BIW: Seit wann habt Ihr den Kontakt zum Kulturkosmos? Wie hat sich die Zusammenarbeit ergeben?
L.S.: Der Kontakt kam zustande, weil Menschen aus der BUKO, die seit Anfang an mit dabei ist, immer auf der Fusion mitgeholfen haben, und sich damit etwas Geld für die BUKO-Arbeit verdient haben. Dadurch kam der Kontakt zur Fusion zustande.
BIW: Wen wollt Ihr mit MOVE Utopia vor allem erreichen? Soll es eine Art Konferenz für Aktive sein oder ein Festival auch für Außenstehende, die sich für die Themen interessieren? Oder beides?
L.S.: Das MOVE ist für alle offen, die motiviert sind zu kommen und über eine Gesellschaft nach Bedürfnissen und Fähigkeiten nachdenken wollen und diese leben wollen. Somit werden sowohl Aktive aus den verschiedenen Bewegungen, wie der Anti-Braunkohle-Bewegung oder der Commons-Bewegung angesprochen, als auch "Neue", die sich keiner bestimmten Bewegung zugehörig fühlen. Auch die Workshops werden verschiedene Themen bespielen und neben Inhaltlichem wird es Musik und Kunst geben. Letztendlich geht es uns bei MOVE um Begegnungen und das Schaffen eines Ortes des Zusammenseins. Wir wollen mit dem MOVE ein Startpunkt sein für eine bunte und vielfältige Bewegung, die dem Rechtsruck etwas entgegensetzt.
BIW: Haben sich schon viele Menschen angemeldet, die kommen oder mithelfen möchten? In der Einladung habt ihr euch ja noch einmal gezielt an Aktivisten aus dem queer-Feminismus und dem Anti-Rassismus gewendet.
L.S.: Es gibt schon eine lange Liste an Interessent*innen, die sich über die Website angemeldet haben. Außerdem kommen schon viele Reaktionen auf den Open Call, sei es an Workshops oder an Kunst-Angebot. Wir planen eine Barrio-Struktur, in der sich Vertreter*innen der Bewegungen platzieren und ihr eigenes Programm anbieten können. Dabei hat sich zB schon ein Gemeinschaften-Barrio ergeben. Es ist ein queer-feministisches Barrio in Planung, jedoch noch nicht konkret organisiert. Auch Anti-Rassismus soll thematisch stark vertreten sein.
BIW: Gibt es konkrete Punkte für das Programm, Workshops oder Schwerpunktthemen, die schon geplant sind?
L.S.: Das Programm wird sich erst in den kommenden Wochen immer mehr zeigen. Bisher haben wir einige Konzerte, aber auch viel freie Räume und Open Spaces im Programm. Es wird einzelne, kurze Vorträge und viele Workshops geben. Daneben wird es viel Raum für offene Formate wie Diskussionsrunden geben. Ein zentraler Punkt werden Räume der Begegnung sein, ob in den Barrios, zwischen ihnen und auch mit der Gesamtgruppe.
BIW: Auf der Internetseite heißt es, Ihr wollt Kapitalismus oder kapitalistisches Denken nicht nur als Wirtschaftsphänomen begreifen. Wie würdest Du das in Deinen Worten erklären?
L.S.: Das kapitalistische System prägt nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch alle anderen Bereiche des Lebens, wie unsere sozialen Beziehungen oder unser Denken. Ich benutze gerne Harald Welzers Bild der mentalen Infrastrukturen, die unsere Denkgewohnheiten bestimmen. Sie sind zum Beispiel von Konkurrenzdenken und Selbstoptimierungswahn geprägt und bestimmen so unseren Umgang mit uns selbst und Anderen. Die Systemänderung soll deshalb auch an Stellen unseres sozialen Miteinanders stattfinden. Dazu gilt es, Ungerechtigkeiten wie die Diskriminierung von Frauen* anzuerkennen und neue Umgangsformen zu leben.
BIW: Es arbeiten einige interessante Gruppen, Organisationen und Bewegungen an MOVE Utopia mit. Inwieweit setzt MOVE Utopia die verschiedenen Prinzipien der Mitwirkenden um? Living Utopia und Yunity sind ja zum Beispiel an von Geld unabhängigen Strukturen interessiert. Soll das MOVE Utopia auch ein Experiment für solche Ansätze sein, zum Beispiel mit Essen von foodsharing, oder ist das vielleicht auch noch offen?
L.S.: Ja, bei MOVE spielen von Geld unabhängige Strukturen eine große Rolle. Wir wollen auf die Erfahrungen der letzten Jahre (utopival, UTOPIKON, ...) zurückgreifen und auch foodsharing stark mit einbeziehen. Jedoch werden wir auch vereinzelt Geldquellen nutzen, um die Organisation zu stemmen um beispielsweise auch Menschen mit einzubeziehen, denen ein geldfreies Leben nicht möglich ist. Wir verstehen Geldfreiheit als Experiment um mentale Infrastrukturen zu verändern, aber nicht als Selbstzweck.
BIW: Was ist Euer Ziel? Wenn Du dir ein ideales Ergebnis für das Treffen vorstellst, was wäre das?
L.S.: Ich wünsche mir, dass Begegnungen zwischen den einzelnen Bewegungen stattfinden, die zusammen den Wandel gestalten wollen, anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen. Für mich trifft es der Begriff einer neuen gemeinsamen linken Erzählung. Als ideales Ergebnis wünsche ich mir außerdem ein starkes, hoffnungsvolles Gefühl, dass wir gemeinsam der Wandel sein können, den wir uns für die Welt wünschen. Konkret kann sich dieses in Folgeprojekten und Vernetzung zwischen den Gruppen zeigen.
Titelbild
Urheber: MOVE Utopia