Carlotta, lass uns über The Real Junk Food Project sprechen. Es gibt so viele Bereiche die nach Veränderung verlagen. Warum hast du dich gerade für das Problem der Lebensmittelverschwendung entschieden?
Natürlich gibt es andere Bereiche, die mir sehr am Herzen liegen und ich habe mich in der Vergangenheit auch in diesen engagiert - oder mache das sogar teilweise auch heute noch. Aber Lebensmittelverschwendung ist so ein mächtiges Feld, weil Essen uns alle zusammen bringt. Jeder einzelne Mensch muss essen. Und Food Waste - besonders die Art mit der wir beim The Real Junk Food Project damit umgehen - ermöglicht es uns, viele andere Themen an zu schneiden: Ressourcenmanagement, Klimawandel, Arbeitsbedingungen, Ernährung...
Wie bist du zum The Real Junk Food Project gekommen?
Als ich letzten August in Berlin angekommen bin, habe ich sofort damit angefangen nach etwas ähnlichem zu suchen, wie in Paris: ein Restaurant, das mit geretteten Lebensmitteln kocht. The Real Junk Food Project hat über die Website Vostel.de Werbung für ein großes Kochevent auf der Konferenz von MakeSense gemacht. Also habe ich an der Kochaktion in den Prinzessinnengärten teilgenommen. Ich fand das Projekt und die Leute so toll, dass ich nach kurzer Zeit fest dabei war!
Kannst du kurz erklären was The Real Junk Food Project ist und wie es entstanden ist?
The Real Junk Food Project ist heute ein internationales Netzwerk von lokalen Organisationen die gegen Lebensmittelverschwendung kämpfen. Wir fangen die Nahrungsmittel ab, bevor sie - meist in Supermärkten - weggeworfen werden. Diese noch durchaus essbaren Lebensmittel stellen wir den Communities entweder durch das Kochen gesunder Gerichte zur Verfügung oder verteilen diese direkt. Außerdem klären wir die Leute über die Lebensmittelverschwendung auf.
Entstanden ist das Projekt im Jahr 2013 in Großbritannien und hat sich dann sehr schnell in ein internationales Netzwerk verwandelt. Besonders in Europa und Australien ist es auf Begeisterung gestoßen. Was The Real Junk Food Project so kraftvoll macht, ist dass die einzelnen Projekte lokal verankert sind. Sie beschäftigen sich mit lokalen Themen und schaffen lokale Netzwerke zwischen Menschen, Institutionen, Vereinen und Firmen. Es gibt derzeit mehr als 100 Pay-as-you-feel Cafés alleine in Großbritannien, in denen gerettetes Essen gegen eine Spende serviert wird. Diese Spende kann die Form von Geld, Zeit oder auch Fähigkeiten haben! Das Berliner Projekt wurde 2015 gegründet.
Du hast von den drei Bereichen von The Real Junk Food Project gesprochen. Kannst du diese etwas näher erläutern?
Wir haben Partnerschaften mit Bio-Supermärkten in Berlin, von denen wir sieben Mal die Woche jeweils 20 bis 120 kg an Lebensmitteln retten. Manchmal können wir nicht alles davon zum Kochen verbrauchen, weshalb wir Partnerschaft mit Vereinen wie Engel für Bedürftige e.V. oder Flüchtlingsunterkünften eingegangen sind. Diesen spenden wir die Lebensmittel, damit diese sie dann an ihren Begünstigtenkreis weiterverteilen können. Aber so oft es geht kochen wir selbst mit dem Essen! Wir organisieren jeden Donnerstag das kollektive Dinner im Baumhaus. Jeder ist dazu eingeladen ab 16 Uhr mit uns gemeinsam zu kochen und ab 19.30 Uhr das selbstgekochte Essen zu genießen. Außerdem richten wir im Sommer gemeinschaftliche Kochsessions an anderen Orten, wie zum Beispiel in den Prinzessinnengärten, aus und werden zu Freiwilligen- und Social-Entrepreneurship-Veranstaltungen eingeladen. Jede Aktion ist eine Möglichkeit die Menschen auf die Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen. Einfach, dass die Leute ein leckeres Gericht essen aus Lebensmitteln, die sonst verschwendet worden wären, ist alleine schon ein starkes bildungstechnisches Werkzeug! Wir informieren über die Lebensmittelverschwendung in unserer Einführung und durch Erklärungen während des Kochens. Und wir planen mehr Workshops! Sie bieten großartige Möglichkeiten Kochtechniken, die das Wegwerfen von Lebensmitteln reduzieren, zu teilen und das Thema gemeinsam zu diskutieren. Demnächst planen wir auch Kochworkshops mit jungen Geflüchteten in einer Unterkunft an die wir auch schon Lebensmittel gespendet haben. Es geht darum, verschiedene Öffentlichkeiten zu erreichen und so inklusiv wie möglich zu sein.
Arbeitet ihr auch mit FoodSharing zusammen?
Wir haben eine indirekte Kooperation mit FoodSharing. Bei den Baumhaus Collective Dinners sind regelmäßig Mitglieder von FoodSharing dabei und kochen mit uns oder bringen ebenfalls Lebensmittel mit.
Was sind eure Ziele?
Lebensmittelverschwendung zu beseitigen! Nicht weniger als das! Dies kann durch das Aufklären der Menschen und eine Veränderung im Konsumverhalten erreicht werden. Und vielleicht durch etwa rechtliche Arbeit. Bald wird The Real Junk Food Project auch in den USA gestartet. Wir sind schon aufgeregt!
Und für The Real Junk Food Project Berlin planen wir noch mehr Workshops und wollen mehr Bildung integrieren sowie in unsere Aktivitäten noch mehr Menschen mit einzubeziehen. Es wäre auch toll, wenn wir irgendwann die Möglichkeit hätten, die Leute, die Vollzeit an dem Projekt arbeiten, finanziell zu unterstützen. Langfristig wollen wir außerdem unser eigenes Pay-as-you-feel Café und einen Foodtruck betreiben!
Wer sind die anderen Personen hinter The Real Junk Food Project in Berlin sowie auch international?
Es gibt super viele Menschen die hinter The Real Junk Food Project stehen! Ursprünglich wurde das Projekt von Adam Smith ins Leben gerufen. Er ist ein Profikoch und Aktivist aus Leeds, welchen wir im letzten November zu einem Gespräch in Berlin begrüßen durften. Tobias Goecke hat das Berliner Projekt gegründet und folgte Adams Ratschlag ein eigenes Projekt in Berlin zu aufzubauen. Seitdem arbeitet er Vollzeit am Projekt. Wir haben ein Kernteam bestehend aus sieben wundervollen Menschen mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen und zusätzlich ungefähr 30 Freiwillige, welche uns beim Einsammeln der Lebensmittel und den Kochaktionen und Workshops helfen.
Wer profitiert von eurer Arbeit?
Alle Begünstigten der Vereine an die wir Nahrungsmittel verteilen, alle Menschen, die essen, was wir bei den Kochworkshops kochen und ich würde schon fast sagen jeder. Denn unsere Arbeit führt dazu, dass wir Ressourcen sparen und die Produktion von Müll vermeiden. Letztendlich profitiere auch sich selbst von RJFP. Ich darf mit großartigen Menschen an einer Sache arbeiten, an die ich fest glaube und das macht mich glücklich!
Seid ihr auf der Suche nach Unterstützung? Welche Art von Unterstützung benötigt ihr am meisten?
Wir suchen immer nach mehr Unterstützung! Wir freuen uns immer über neue Leute für unsere Kochsessions und auch für das Einsammeln der Lebensmittel! Das machen wir tagsüber und es ist nicht immer leicht Leute zu finden, die Zeit haben. Zur Zeit suchen wir nach Küchenutensilien für die neue Küche im Baumhaus und nach einem Lastenrad, damit das Abholen der Lebensmittel einfacher wird und trotzdem umweltfreundlich bleibt!
Im Allgemeinen suchen wir auch nach neuen Partnerschaften in verschiedenen Bereichen wie Kommunikation, Druck, rechtliche Fragen und so weiter.
Wie kann man eine Kochsession oder ein Catering bei The Real Junk Food Project buchen?
Ganz einfach durch das Schreiben einer Email an realjunkfoodberlin@yahoo.com in der man kurz sein Projekt beschreibt und die eigenen Vorstellungen hinsichtlich des Essens äußert. In der Regel machen wir offene Buffets, ein Buffet aus 4 bis 15 süßen und herzhaften Speisen an denen sich die Leute dann bedienen können, bei denen wir meist vegetarisch oder vegan kochen und dabei 100% organisches und hausgemachtes Essen auf den Tisch bringen! Wir bieten dies ausschließlich gegen Spenden an. Entweder werden freiwillige Spenden in Form von Geld, Zeit oder Freiwilligenarbeit von den Teilnehmern geleistet oder die Organisatoren der Veranstaltung für die wir Kochen leisten eine Spende. In diesem Fall schlagen wir einen Pro-Kopf-Betrag vor und sie entscheiden dann selbst wie viel Geld sie spenden möchten. Manchmal kombinieren wir aber auch beide Varianten. Wir sind auch sehr aktiv auf Facebook.
Vielen Dank für das Interview und weiter so!
Titelbild
Urheber: The Real Junk Food Project Berlin