Im Europa des 17. Jahrhunderts noch als Armeleute-Essen verschrien, erleben die Hülsenfrüchte heute eine Renaissance. Die Wendung hin zu einer fleischlosen oder fleischärmeren Ernährung und das Interesse an einer gesünderen Lebensweise innerhalb der Gesellschaft verlangt nach einer eiweißreichen Alternative für den täglichen Ernährungsplan. Mit der Fragestellung „Hülsenfrüchte – ein altes Nahrungsmittel mit großer Zukunft?“ nahm sich das ZALF dem Thema an. Neben einer fachlichen Podiumsdiskussion mit Vertretern aus der Wissenschaft gab es auf der Veranstaltung die Fieldshow „Die Welt der Hülsenfrüchte“ zu erleben. Diese bot Informationen über Lupinen-Produkte und Tipps zum Anbau von Lupinen sowie die Möglichkeit sein Wissen am ZALF Stand in einem Quiz zu testen.
Vier Gäste aus den Bereichen Ernährungsforschung, Nutztierbiologie, Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung sowie der Agrarlandschaftsforschung waren angereist, um unter der Moderation von Dr. Norbert Gossau (DIE WELT) die Erkenntnisse und Sichtweisen aus ihren Bereichen darzulegen und miteinander auszutauschen. Und vor allem dem Publikum die Möglichkeit zu geben einen Einblick in die Welt der Hülsenfrüchte zu erlangen. Per WhatsApp, Email oder Twitter hatte das Publikum ebenfalls eine Stimme. So konnten Fragen direkt an den Moderator weiter geleitet werden. Was für die letzte halbe Stunde der Podiumsdiskussion angedacht war, wurde so gut angenommen, dass schon nach kurzer Zeit gezielte Fragen aus dem Publikum gestellt wurden. Landwirte, junge Familien, Ernährungs- und Gesundheitsbewusste, Studenten aus den Bereichen Ernährungs- und Agrarwissenschaft, hatten reges Interesse an den kleinen Bohnen.
Aber was genau macht Hülsenfrüchte heute wieder so interessant? Europa befindet sich in einer sogenannten Eiweißlücke. Es gibt zu wenig eiweißreiche Futter- und Nahrungsmittel und deswegen müssen große Mengen Sojaprodukte und Sojabohnen aus Nord- und Südamerika importiert werden, welche meist genmodifiziert sind und sich deshalb nur gemäßigter Beliebtheit erfreuen. Nur 1,7 % der europäischen Ackerflächen werden mit Hülsenfrüchten bewirtschaftet. Dabei sind sie auch für eine nachhaltige Landwirtschaft von Relevanz. Im Rahmen des Jahres der Hülsenfrüchte soll die Produktion, ihre Anwendung und ihre Wertstellung in der Nahrungskette diskutiert und voran getrieben werden.
Leguminosen sind ein hervorragender Eiweißlieferant und obendrein sind sie Stickstofffabriken der Natur. Sie gehen eine Symbiose mit Knöllchenbakterien ein und reichern den Boden dadurch mit Nährstoffen für die folgende Kultur an. Diese biologische Luftstickstofffixierung trägt zu einer Verbesserung der Bodenstruktur und des Humusgehalts bei. Und nebenbei lockern sie den Boden auf ganz natürlich auf. So können sie als Grunddünger gesehen werden, mit einer Schlüsselfunktion in der Land- und Ernährungswirtschaft. Auch die Bienen können sich freuen da besonders die gelben, weißen und blauen Lupinen Blühpflanzen sind. Dem nicht genug, sind die Hülsenfrüchte auch noch Gewinner des Klimawandels. Hohen Temperaturen und wenig Wasser machen ihnen nichts aus. Gleichzeitig wirken sie dem Klimawandel entgegen in dem sie Treibhausgase reduzieren.
Noch ist der Anbau von Lupinen, Erbsen, Soja und Co. nicht lukrativ, weil der Markt für Raps oder Mais finanziell ertragreicher ist. Laut Dr. Johann Bachinger vom Leibniz-Institut für Agrarlandschaftsforschung wäre eine Kreislaufwirtschaft mit Ackerbau und Tierhaltung in der Futtermittel, Dünger und Nahrungsmittel in einer Heimproduktion ablaufen am sinnvollsten. Hierfür spricht sich auch Dr. Cornelia C. Metges vom Leibnitz-Institut für Nutztierbiologie aus. Sie sieht die Vorteile von Hülsenfrüchten insbesondere in der Verwendung als Tiernahrung. Im Moment werden gerade für Bio-Fleisch viele eiweißreiche Futterbestandteile aus dem Ausland importiert.
Wichtig ist: Die Mischung machts. Wie beim Menschen sollte man auch bei der Tierernährung auf Ausgewogenheit achten. 20-30% Hülsenfrüchte im Futter sind optimal. In Bezug auf Hülsenfrüchte eignen sich am besten Sorten mit wenig sogenannten antinutritiven Inhaltsstoffen (Tanine, Uctine, Alkaloide, Alpha-Galaktoside). Sie können die Verdauung stören. Verträglicher sind Sorten mit weniger Antinutritiven und mehr Aminosäuren. Der menschliche Ernährungsplan hat hingegen andere Anforderungen an die Leguminosen. Hier sind weniger Aminosäuren gefragt. Dr. Ulrike Lohwasser vom Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung schlägt dazu das züchten von neuen Sorten, die bessere Bekömmlichkeit versprechen, vor. Dazu müssen Wildpflanzen neu eingekreuzt werden und dank der Bundesdeutschen Genbank ist dies keine bloße Theorie. Dort lagern von vielen alten Kulturpflanzen Muster als Saatgut. Insgesamt sind es 151.002 an der Zahl. Davon 28 066 Leguminosen und 3000 Lupinen. Bis zu 50 Jahre können sie dort gelagert werden und auf ihre Neueinkreuzung warten. Die Lupine zum Beispiel ist heute nicht gut genug an das europäische Klima angepasst, da zu wenig Züchtung betrieben wird. Das sollte sich ändern, um ihr Potenzial für die Futter- und Nahrungsmittelherstellung und die Landwirtschaft zu nutzen.
Eine harmonische Mischung der Proteinquellen ist auch für den Menschen wichtig. Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer vom Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke erklärt anhand der Ergebnisse aus der LeguAN-Ernährungsstudie, in der tierische und pflanzliche Eiweiße im Vergleich standen, dass es nicht Pflanzen vs. Tierprotein heißt sondern beide gleichermaßen gut und wichtig für eine gesunde Ernährung sind. Eine eiweißreiche Ernährung hat positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel, reduziert unerwünschtes Bauchfett und fördert den Aufbau von Muskelmasse. Eine gute Grundlage für ein langes und gesundes Leben.
In der Podiumsdiskussion waren sich alle einig, dass eine langfristige vernetzte Wissenschaft helfen kann um verschiedenen Problemstellungen der Hülsenfrüchte zu lösen. Fazit: Die Hülsenfrüchte haben Großes vor sich.
Titelbild: © Rico Prauss