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"Konkrete Alternativen zum Kapitalismus aufbauen" - die Wandelwoche-OrganisatorInnen im Interview

Von 6.- 16. September findet die vierte Wandelwoche Berlin-Brandenburg statt. Wir sprachen mit den MitorganisatorInnen von „das kooperativ" über das Format der Wandelwoche, Erfolge – und einen gefährdeten Wandel.

von Alexander Wenzel
Themen WandelWoche2018
17 August 2018

Ein gutes Leben. Dass dies möglich ist – für alle und überall, möchte die Wandelwoche zeigen. Und zwar im Rahmen von Exkursionen und Touren zu Betrieben und Projekten, die schon jetzt andere Formen des Lebens und Wirtschaftens praktizieren. Los geht's schon am 1. September – mit dem Auftakt in den Prinzessinnengärten in Kreuzberg. Wir sprachen deshalb vorher mit Andreas Teuchert und Jenny Dobberschütz vom Mitorganisator „das kooperativ".

berlin.imWandel: Wie kamt ihr zur Wandelwoche?

Andreas Teuchert: Ich bin seit 2015 dabei, als die Wandelwoche im Vorlauf zum Kongress für Solidarische Ökonomie stattfand. Dies war eine mehrtägige Veranstaltung in der TU, bundesweit und international ausgerichtet und eher akademisch-theoretisch. Von den Veranstaltern, dem Forum für Solidarische Ökonomie in Kassel, war allerdings von Anfang an geplant, ein regionales, sehr praktisches Pendant dazu in Berlin und Brandenburg zu veranstalten. So haben wir im Zuge der Kongress-Organisation die erste Wandelwoche organisiert. Und das in den Jahren darauf dann unabhängig vom Kongress – mithilfe regionaler Ressourcen und Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam.

Jenny Dobberschütz: Ich bin 2017, also bei der letzten Wandelwoche, dazugekommen. Ich fand das Format sehr spannend: diesen Fokus auf praktische Projekte. Und das Anliegen, diese sichtbarer zu machen.

berlin.imWandel: 2015 fand die Wandelwoche zum ersten Mal statt, dieses Jahr geht sie in die vierte Runde. Habt ihr damit gerechnet, dass die Veranstaltung so erfolgreich sein wird?

Andreas: Also es hat sich schon abgezeichnet, dass das Format ganz gut nachgefragt wird. Insofern hat es mich nicht verwundert, dass es mehrere neue Auflagen gibt. Ich finde es aber interessant, dass sie sich immer mehr weiterentwickelt hat, sie fokussierter wurde. Anfänglich waren es eher Tage der offenen Tür: man besucht Projekte und die stellen sich vor. Das hat sich jetzt zunehmend stärker um bestimmte Fragestellungen herum entwickelt, sei es Teilhabe von Geflüchteten, Care-Fragen oder solidarischer Direktimport. Ursprünglicher Ausgangs- und Bezugspunkt bleibt natürlich das solidarische Wirtschaften, aber thematisch ist es schon sehr viel breiter geworden.

berlin.imWandel: Und was ist bei der diesjährigen Wandelwoche anders oder neu?

Jenny: In den letzten Wochen haben sich für mich vier Themenschwerpunkte herauskristallisiert: einmal das Thema Arbeit mit Veranstaltungen zum Arbeiten im Kollektiv, aber auch zu Care- und Sorgearbeit und wie man diese anders und solidarischer organisieren kann; dann als zweiten Schwerpunkt globales Lernen, solidarischer Direkthandel, solidarische Versorgungsstrukturen und Ernährungssouveranität; als dritten Punkt Teilhabe, zum Beispiel von Geflüchteten, aber auch die Inklusion von Menschen mit Behinderung und als vierten Schwerpunkt das Thema Wohnen in Selbstverwaltung. Auch neu dieses Jahr ist, dass eine Veranstaltung hinzugekommen ist, die in Mecklenburg-Vorpommern stattfindet und dort im ländlichen Raum versucht, Projekte kultureller Bildung sichtbar zu machen.

berlin.imWandel: Habt ihr den Eindruck, dass ihr mit der Wandelwoche nur eine bestimmte Zielgruppe, also schon an sozialen und ökologischen Themen interessierte Menschen, oder auch ein breiteres Publikum erreicht?

Andreas: Der Wunsch ist natürlich schon, aus der Blase rauszukommen und Menschen aus anderen Zusammenhängen, als den unseren links-akademischen, zu erreichen. Das ist einfach schwierig. Bleibt schwierig, für uns – auf jeden Fall. Das ist eine Frage einerseits des Formulierens: die Dinge so runterzubrechen und eben nicht zu theoretisch-akademisch zu formulieren. Andererseits erfordern bestimmte Zusammenhänge auch eine sehr differenzierte Benennung – man kann das auch nicht populistisch vereinfachen.

Jenny: Ich denke schon, dass vom Anspruch oder auch von den Formaten her, die Wandelwoche das Potenzial hat, auch tatsächlich mehr Leute anzusprechen, als sie jetzt momentan anspricht. Dass jetzt sehr viele Leute aus dieser Blase sind, ist nicht nur ein Problem der Wandelwoche, sondern jedweder politischen Bildung: sie sich meist an diejenigen richtet, die eh schon interessiert sind. Man muss sich dann Formate überlegen, die unkonventioneller und attraktiver sind und auch Spaß machen. Und auch viel stärker im alltäglichen Leben präsent sind. Wir haben zum Beispiel Märkte, wie den Markt der Möglichkeiten, oder einen temporären Laden, wo man Produkte aus solidarischem Direktimport kaufen und sich über das Thema informieren kann, im Programm. Ansonsten glaube ich, dass es ein längerfristiger Prozess ist, die Wandelwoche auch für andere Zielgruppen zu öffnen. Das ist auch oft eine Zeit- und Ressourcenfrage. Man muss mehr Möglichkeiten bieten bzw. deutlicher und breiter kommunizieren, dass auch Menschen mit anderen Perspektiven die Wandelwoche als etwas begreifen, dass sie mitgestalten können.

berlin.imWandel: Die Wandelwoche soll zeigen, „dass der Wandel bereits stattfindet“. Wenn ihr auf die letzten Jahre und Wandelwochen zurückblickt, seht ihr solch einen positiven Wandel?

Andreas: Ich bin da eher nicht so super optimistisch gerade. Ich sehe es eher sehr gefährdet alles – durch einen rechten Diskurs, der immer stärker wird. Ich habe das Gefühl, dass man mehr denn je bestimmte Dinge, die man erreicht hat, verteidigen muss. Statt sich inhaltlich um Transformation in allen Bereichen zu kümmern und das fortzuentwickeln.

berlin.imWandel: Wie könnte man dennoch einen positiven Wandel fördern?

Andreas: Für mich stehen ganz klar zwei Dinge im Vordergrund: Zum einen muss es einen starken Link geben zwischen den Parteien und der Zivilgesellschaft, auch wenn zum Beispiel ein linkes Bündnis Erfolg haben soll. Und das andere ist, dass man alle Kraft dafür verwenden muss, konkrete ökonomische Alternativen zum Kapitalismus aufzubauen. Das heißt, Prinzipien wie Beitragen statt Tauschen auszubreiten, Genossenschaften und Kollektive zu stärken oder die Gemeinwohlökonomie auszubauen. Also die vielen Ansätze ökonomischer Art, die es gibt, noch sehr viel stärker experimentell umzusetzen, damit diese dann auch tatsächlich ertragfähig werden.

Jenny: Dazu ergänzend glaube ich, dass es gerade deswegen wichtig ist, solche Alternativen zu zeigen und eine Öffentlichkeit dafür zu schaffen. Und auch zu schauen, dass man Brücken zwischen verschiedenen Bewegungen, Anliegen und Aspekten von Teilhabe baut.

Titelbild
Bildunterschrift: Jenny (vorne 2.v.r.), Andreas (hinten 2.v.r.) mit dem Wandelwochen-Orga-Team 2017
Urheber: Sandra Wildemann

1 Kommentare KOMMENTIEREN
Horst Jäger hat einen Kommentar geschrieben
Wir wünschen euch eine tolle Wandelwoche
unsere Wandelwoche findet im Oktober statt.
Gruß aus Lüneburg
12:23 17/08/2018
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