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Friedel 54: Geschichte einer Verdrängung

Nach jahrelanger Auseinandersetzung soll nun am 29. Juni der Kiezladen ‚Friedel 54’ in Neukölln zwangsgeräumt werden. Doch die Mieter wehren sich und erfahren dabei große Unterstützung. Über die bevorstehende Zwangsräumung und die Geschichte des Konflikts sprachen wir mit Matthias Sander, dem Sprecher des Laden-Kollektivs.

von Alexander Wenzel
Themen Gesellschaft Wohnen
21 Juni 2017

Tag Null, so bezeichnen die Mitglieder des Kollektivs den 29. Oktober 2015 - jenen Tag, als ein Gerichtsvollzieher einem Mitarbeiter des ‚Friedel 54’-Kiezladens die Kündigung des Mietvertrags überreicht. Über zehn Jahre soziokulturelle Arbeit in Neukölln standen damit vor dem Aus. Zum vielfältigen Angebot des Kiezladens gehören zum Beispiel eine kostenlose Mietrechtsberatung, Vorträge, Workshops, ein Umsonstladen und eine Siebdruckwerkstatt. Darüberhinaus können auch externe Initiativen und Gruppen den Raum für Infoveranstaltungen nutzen. Dies alles findet in einem unkommerziellen und selbstverwalteten Rahmen statt - betrieben wird der Kiezladen von einem Kollektiv aus Einzelpersonen und über 15 Initiativen.

Der Kündigung geht 2014 eine geplante Modernisierung des Hauses in der Friedelstraße 54 durch die Eigentümerin des Hauses, die Citec Immo Invest GmbH aus Wien, voraus. Erworben hat die Citec das Haus im Dezember 2013. Auf der Citec Website ist dazu zu lesen: „Neben dem Wiener Zinshausmarkt stellt sich für die Citec Immobilien Gruppe die boomende Metropole Berlin als einer der attraktivsten Märkte insbesondere für Zinshausinvestments dar.“
Die Modernisierung, eine energetische Sanierung, hätte durch Umlage der Kosten für die Modernisierung auf die Miete eine drastische Mieterhöhung für die Mieter des Hauses bedeutet. Wie auf dem Blog der Hausgemeinschaft der Friedelstraße 54 dargelegt, hätten so einige Mietparteien mit einer bis zu 60% höheren und alle anderen mit einer 30-40% höheren Miete rechnen müssen. Die MieterInnen, die Mitglied des Mieterschutzvereins sind oder eine Rechtschutzversicherung haben, legen daraufhin Widerspruch ein und lassen sich von der Citec auf Duldung verklagen. Der Kiezladen hätte die Modernisierung und damit die Mieterhöhung, wenn auch ungern und „mit einem weinenden Auge“ wie Matthias Sander meint, wohl geduldet, hat sich jedoch solidarisch mit den Hausbewohnern und deren Widerspruch gegen die Modernisierung erklärt. Das Modernisierungsvorhaben war nun erst einmal aufgeschoben und Zeit gewonnen, da mit Baumaßnahmen erst nach Beendigung aller Verfahren begonnen werden durfte.

Nichtsdestotrotz und noch vor Beendigung der Gerichtsverfahren wird dem ‚Friedel 54’-Kiezladen im Oktober 2015 gekündigt. Matthias Sander sieht darin eine politische Kündigung, da der Kiezladen ein Ort war und ist, wo sich Leute organisieren und solidarisieren, wie zum Beispiel bei der ersten Kiezversammlung. Zudem bestand keinerlei Verhandlungs- oder Gesprächsbereitschaft vonseiten der Citec.

Um das Haus dem Markt zu entziehen und anschließend selbst zu verwalten, startete die Hausgemeinschaft den Versuch, das Haus mithilfe des Mietshäusersyndikats zu kaufen. Es kam zu Verkaufsverhandlungen zwischen Hausgemeinschaft und Citec. Laut Sander waren diese jedoch lediglich Scheinverhandlungen, da vonseiten der Citec keinerlei Interesse bestand, das Haus an die Hausgemeinschaft zu verkaufen. Stattdessen wurde im Hintergrund, ohne offizielle Bekanntmachung, das Haus im Juni 2016 für ca. 2 Millionen Euro an die luxemburgische Firma Pinehill S.à.r.l. verkauft. Aufgrund dieses hohen Kaufpreises hätte leider auch ein Kauf mithilfe des Syndikats zu enormen Mieterhöhungen und de facto Selbstverdrängung geführt. Nach dem Prinzip des Mietshäusersyndikats werden nämlich am Ende die Direktkredite für den Hauskauf mit der Miete abbezahlt. „Das wäre Elendsverwaltung gewesen – schön selbstverwaltet, aber auch selber ausgebeutet“ folgert Sander.

Die Pinehill, zu welcher weder eine Website, noch sonstige Informationen online auffindbar sind, übernimmt mit dem Kaufvertrag auch die Kündigung und das Räumungsvorhaben gegen den Kiezladen. Dazu hatte sie die Citec sogar durch eine Klausel im Mietvertrag verpflichtet. So war dann auch laut Sander die erste Kontaktaufnahme mit der neuen Hauseigentümerin die Zustellung der Räumungsklage an den Kiezladen. Aus Protest, da auf die Minimalforderung der Kündigungsrücknahme nicht eingegangen wurde, zahlt der Kiezladen deshalb seit Mai 2016 keine Miete mehr. Weil die Mieter des Kiezladens nicht gehen wollen, kommt es zum Gerichtsverfahren – das Amtsgericht Neukölln sieht die Räumung jedoch als begründet an. Das hat auch damit zu tun, dass der ‚Friedel 54’-Laden einen Gewerbemietvertrag hat, welcher einfacher gekündigt werden kann als ein Wohnmietvertrag. Als Räumungstermin steht nun der 29. Juni fest.

Versuche, auf politscher Ebene eine Lösung zu finden, scheiterten leider. So ließ die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Linke), die Verhinderung der Zwangsräumung durch Beschlagnahmung prüfen – jedoch ohne Erfolg. Jochen Biedermann (Grüne), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, sprach sich außerdem dafür aus, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzt. Eine Option, die jedoch nur bei einem zukünftigen erneuten Verkauf der Immobilie von Bedeutung ist.

Dass es am 29. Juni oder auch schon früher zum Räumungsversuch durch die Berliner Polizei kommen wird, ist sich Sander sicher. „Doch wir werden alles dafür tun, gemeinsam mit Freunden und Freundinnen, dass das nicht passiert.“ Ziel ist es nun, die Räumung zu verhindern und die widerständige Hausgemeinschaft, zu welcher der Kiezladen als Organisationsort einen großen Teil beiträgt, zu erhalten.

Titelbild
Urheber: Alexander Wenzel

1 Kommentare KOMMENTIEREN
Alexandre Schütze hat einen Kommentar geschrieben
lustiger Fakt zu der Pinehill sarl, Eigentümerin des Gebäudes...
Firmensitz ist ein kleines unspektakuläres Gebäude in Luxemburg, in dem 7 Firmen registriert sind, die in den Panamapapers erscheinen. https://offshoreleaks.icij.org/nodes/14002492
Briefkastenfirma?
15:32 21/06/2017
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