Den Begriff Open Source kennen einige vielleicht aus dem Bereich Software. Mit Open Office oder Linux nutzen schon viele die Vorteile von offenem Quellcode. Jeder kann die Software frei nutzen, aber mit entsprechenden Fähigkeiten auch selbst weiterentwickeln. Dieses Prinzip lässt sich auch auf Hardware, also materielle Produkte übertragen, deren Bauanleitungen dann frei zugänglich sind. Bei der Circular Economy geht es hingegen um die effektive Nutzung von Ressourcen. Die Entwicklung der industriellen Produktion hat zu enormen Müllproblemen geführt. Solche Probleme kennt die Natur nicht, ein vom Baum fallendes Blatt wird nicht zu Abfall, sondern zur Nährstoffquelle für andere Lebewesen. Diesem Prinzip folgend will die Circular Economy Konsumprodukte so designen, dass nach der Nutzung kein Müll mehr entsteht, sondern stets wiederverwertbare Materialen. Der Künstler Lars Zimmermann beschreibt sich selbst als Open Source Economist und gilt als Vorreiter der Open Source Circular Economy. Er hat uns die Vision erläutert und uns die diesjährige Veranstaltung in Berlin schmackhaft gemacht.
Die Idee zur Verknüpfung von Open Source und Circular Economy in einem internationalen Event kam Lars Zimmermann vor 3 Jahren zusammen mit einer Hand voll Freunden bei einem Skype-Gespräch. Schon 2015 gab es dann den ersten Hackathon in 33 Städten weltweit. Die große internationale Resonanz bei der Premiere zeigt, dass das Thema in der Luft lag, obwohl es neu und avantgardistisch war.
Die beiden Schlüsselbegriffe Circular Economy und Open Source zusammenzubringen schien Lars Zimmermann als folgerichtiger Schritt, um die Themen gegenseitig zu befruchten. Dabei will er den Begriff Open Source aus der IT-Ecke herausholen und ihn auf Hardware, auf materielle, handwerkliche Produkte, wie Möbel übertragen. Viele bekämen bei dem Begriff Open Source Angst, erklärt er uns, sie würden dahinter sehr komplizierte, schwer zu verstehende Technologien vermuten. Dabei geht es nur darum Produkt-Baupläne frei zugänglich zu machen. So sollen Visionen von einer perfekten Kreislaufwirtschaft, bei der keine Abfälle mehr entstehen, vorangetrieben werden. In einer „closed source“ Wirtschaft müssten Unternehmen, die Ihre Bau- bzw. Produktionspläne rechtlich schützen, den kompletten Lebenszyklus und die Verwertung der Materialien an dessen Ende selbst mitplanen. Die open source Herangehensweise erlaubt es anderen Unternehmen auf Grundlage der frei zugänglichen Baupläne neue Ideen für die Weiternutzung oder Umnutzung der Materialien bzw. Bauteile zu entwickeln. So kann man den Produktkreislauf als dynamische, gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen, statt als zusätzlichen Entwicklungsaufwand von nur einem Herstellerunternehmen.
Lars Zimmermann betont es gehe bei den Open Source Circular Economy Days (OSCE-Days) um das Fragen, das Erforschen von kollaborativen Lösungen mit den Ideen Open Source und Circular Economy im Hinterkopf. Somit seien alle willkommen, die sich mit Themen der Nachhaltigkeit befassen und andere gern teilhaben lassen würden und nicht nur Experten, die schon länger gezielt mit den Begriffen Open Source und Circular Economy hantieren und perfekte Lösungen anbieten. Ganz im Gegenteil: Bei den Challenges der OSCE-Days können Teilnehmer mit offenen Fragen oder Problemstellungen kommen und im laufe der Tage versuchen in Teams Lösungen zu finden.
Die positiven Erfahrungen des letzten Jahres sollen bei der diesjährigen Veranstaltung weiter ausgebaut werden. 'Hands on' Formate, wie der Bau einer Plastikrecycling Maschine innerhalb der 4 OSCE-Tage im letzten Jahr seien dem Mitorganisator lieber als Theoriegeburten. Passende Formate, wie Workshops, Challenges und Assemblies (Mitmach-Stationen) sollen weiter ausgebaut werden.
Bei Vorträgen und Diskussionspanels soll es aber auch um kritische Fragen zur Open Source Circular Economy gehen. Immer wieder hört Lars Zimmermann die Zweifel, wie denn mit ungeschützten Produktionsplänen und frei zugänglichem Wissen überhaupt noch Geld verdient werden soll. Er selbst sieht diese Frage als Herausforderung und will, passend zur Gesamtausrichtung des Events, keine Musterantworten und Patentrezepte präsentieren, sondern auch die diesjährigen Tage nutzen um gemeinsam zu fragen und zu forschen. Dabei sieht er die OSCE-Konzepte auch als Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung, die in die eine oder anderen Richtung verlaufen könnte. Es gäbe Szenarien einer OSCE, die in ein heutiges marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem eingebettet sind, ebenso wie Szenarien einer solidarisch organisierten OSCE. Seit ca. zwei Jahrhunderten ist die westliche Ökonomie geprägt von Unternehmen, die in Forschung investieren um dann durch Patentschutz der einzige Nutznießer der Innovationen zu sein. Wir würden zwar mit diesem Narrativ aufwachsen, erläutert Lars Zimmermann, doch die Mehrheit der uns umgebenden Produkte ist schon heute nicht patentgeschützt. Qualifizierte Wartungs- und Reparaturdienstleistungen, besondere Reputation durch Qualität oder individualisiertes Design könnten zudem weiterhin Geldeinnahmen von Herstellern sichern.
Diese und andere Fragestellungen können dann auch auf die diesjährigen Projekte angewandt werden. Die OSCE-Days finden wieder in der Zweigstelle Agora Rollberg des Agora Collective und des CRCLR-Lab in Berlin-Neukölln statt. Die Vereinsmitglieder bringen auch außerhalb der OSCE-Days ein Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft voran. Dabei ist ihnen wichtig die Nachbarschaft der ehemaligen Kindl-Brauerei miteinzubeziehen und sich mit den dort in unterschiedlichsten Feldern aktiven Vereinen zu vernetzen. Durch diese Erfahrungen kam es zum diesjährigen Motto "Zirkuläre Stadt – Mein Kiez erprobt die Kreislaufwirtschaft“. Dies soll aber nur der Schwerpunkt sein, generell seien jegliche Fragen, Antworten und Projekte, die sich mit offenem Geist und ohne Angst vor Ideenklau Themen der Nachhaltigkeit widmen, willkommen.
Freuen darf man sich auf die Errichtung eines Doms inmitten der Veranstaltungshalle, das Züchten von Pilzen, die Müll entgiften und als Verpackungsmaterial nutzbar sind, eine Street-Hacking-Exkursion bei der Stadtmöbel gebaut werden, eine Baustation bei der im modularen Baukastenprinzip 'Berlin Grid' nützliche Dinge zusammengebaut werden und vieles andere mehr. Aber die Halle in der Rollbergstraße ist groß und es ist noch viel Platz für weitere Ideen, Fragen, Workshops, Challenges, Vorträge und Projekte. Somit schließen wir uns dem Aufruf der Organisatoren zur Teilnahme an. Jeder kann seinen Beitrag im Forum der OSCE-Days posten oder mit dem Team Kontakt aufnehmen. Wir wünschen allen Beteiligten viel Vergnügen bei den weiteren Vorbereitungen und freuen uns darauf im Juli über eine Vielzahl spannender Fragen und genialer Lösungen der Open Source Circular Economy Days 2017 in Berlin zu berichten.
Titelbild
Urheber: Open Source Circular Economy Days