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Was ist ist, was nicht ist, ist möglich. Sprechen über die Theorie der Solidarischen Ökonomie

Wie erschaffen wir neue Ideen, wenn wir ständig nur dabei sind, die konkreten Tendenzen der Wirklichkeit abzuwehren. Gibt es eine eine positive Basis von Bewegungen die sich als Negation zum Kapitalismus sehen? Wie vermitteln wir neue Konzepte von Gesellschaft, Zusammenleben, Wirtschaft und Werten, wenn Kapitalismus zwar Gegner, sein Gegenteil jedoch nicht die Lösung ist? Was bedeutet Solidarische Ökonomie im öffentlichen Diskurs und was ganz konkret für die Praxis? Über diese Fragen wurde in der Theoriewerkstatt Postkapitalismus diskutiert, klare Antworten blieben aus. Zum Glück!

von Sunna Kovanen
Themen Bildung Soziales Wirtschaft
8 Juni 2016

Zu Gast in der Theoriewerkstatt Postwachstum war dieses mal Dr. Bastian Ronge, der an der Humbold Universität Berlin im Fachbereich Philosophie unterrichtet. Das von ihm präsentierte Manuskript behandelt die Fragestellung eines philosophischen Konzeptes für Solidarische Ökonomie. Zu den Zuhörerenden zählten neben Studierenden aus Eberswalde und Berlin auch Dozentinnen der Alice-Salomon-Hochschule und Frederike Habermann (neuestes Buch: Ecommony)

Auf der Suche nach einer positiven Definition Solidarischer Ökonomie
Das Manuskript kritisierte die aktuelle Tendenz, Solidarische Ökonomie als „anti-kapitalistische“ und so also in Negationen und Antagonismen zu definieren. Auf die Philosophen Laclau und Mouffe verweisend, bleibt diese negative Logik der Äquivalenz zu schwach, weil sie zum Beispiel autoritäre oder nationalsozialistischen Projekten ermöglicht, sich als Teil der Solidarischen Wirtschaft zu definieren, solange sie sich als antikapitalistisch verstehen. Dies würde die innere Kohärenz und Glaubwürdigkeit der ganzen Bewegung untergraben.

Mit einer positiven Definition, kann Solidarische Ökonomie (SÖ) mit hegemonialen Ideen des Kapitalismus als zentrale und übergeordnete Form der Wirtschaft und die Märkte brechen, mit denen jede andere Wirtschaftstheorie verglichen werden muss. Ökonomie kann und sollte als etwas anderes und größeres als der Kapitalismus verstanden werden, und daher braucht die Solidarische Ökonomie ein positives Selbstverständnis.

Nach Ronge könnte ein solches Konzept mit einem positiven Inhalt durch den Ansatz der „Lebensform“ beschrieben werden. Lebensform ist eine Anzahl von verschiedenen Praktiken, deren zugrundliegende gemeinsame Prinzipien die Art der Lebensform bestimmen. In der kapitalistischen Lebensform, wäre Berechnung des eigenen Vorteils ein solches Prinzip das die Performanz aller anderen Praktiken, von religös bis künstlerisch bestimmt.. In einer idealen Lebensform von SÖ im gegensatz dazu, wird das Prinzip der Solidarität, als Kooperation und Austausch priorisiert. Austausch von Waren und Dienstleistungen ohne monetäre Märkte also, welcher heute nahezu ausschließlich alle anderen Prinzipien ersetzt.

Diskussion und Kritik
Die anschließenden Diskussion thematisierte nicht nur die Theoriebildung, sondern brachte auch eine Menge Fragen und Kritik hervor. Viele Fragen hatten den Wunsch einer Definition des Wirtschaftsbegriffes als Hintergrund, welche Ronge allerdings nicht geben wollte. Kreative Unklarheiten entstanden so in Hinblick auf Frage, ob SÖ und Kapitalismus nur Unterformen eines weitergefassten Wirtschaftsbegriffes, welcher die Idee der Wirtschaft als "ein Mensch Instrument um universelle Bedürfnisse zu erfüllen". Wenn diese Kategorisierung zu trifft, wie kann SÖ dann als eine Kraft verstanden werden, etwas Neues, und zwar über den Kapitalismus hinausgehenden zu schaffen?

Ein weiterer Kritikpunkt betraf die positive Definition von Solidarität, die immer noch Teil der austehenden Arbeit ist, um den Text abzuschließen. Ronge plädierte für eine Defintion von Solidarität auf der Basis von politischen Affekten, die zwar singulär sind, aber in Richtung Universalität streben. Einige kritische Stimmen, zogen es wiederrum vor,, die Definition auf die Grundlage von Moralphilosophie und universellen logischen Kriterien für alle Menschen zu stellen, anstatt auf den emotionalen Bereich zu verweisen.

Schließlich wurde der Text auch als Möglichkeit diskutiert, das Konzept über einen halboffene wissenschaftlichen Prozess und parallel dazu der Zusammenarbeit mit der Praxis zu realisieren. Eine Definition aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft auf dem Gebiet der heterodoxen, politisch orientierten und unterschiedlichen Akteuren wäre am Ende resilient, wenn sich nicht gemeinsam mit der und durch die Praxis entwickelt wurde . Ich habe die Diskussion als lebendig und produktiv erlebt, die politische Praxis und theoretische Kritik miteinander verbindend. Ich bin glücklich, einen informellen Ort gefunden zu haben, in dem ich andere Fachleute und Aktivisten auf dem Gebiet treffen kann.

5 Kommentare KOMMENTIEREN
Alexandre Schütze hat einen Kommentar geschrieben
Toll! wurde auch erwähnt, wann das Buch veröffentlicht wird?
13:42 08/06/2016
Roy Rempt hat einen Kommentar geschrieben
Bitte nutzt für die 'theoretische Arbeit' und Beschreibung von Praktiken unsere Pad-Landschaft im "PiratenPad"", denn wir erzeugen einigen Materiellen Verschleiß und haben zusätzlichen organisatoriechen Aufwand, wenn wir alle Arbeit nur auf Treffen organisieren, statt das jederzeit nutzbare Internet für diese eher 'theoretische Arbeit' zu nutzen. Wir wollen doch unseren Enkeln eine erlebenswerte Zukunft hinterlassen und keinen Müll-Haufen :) Jederzeit Nutzbar ist unsere Pad-Landschaft auf "PiratenPad" und wir sind auch unter uns und nicht zu finden, außer mit dieser Einwahl-Adresse > https://www2015.piratenpad.de/theorie-und-praxis
12:17 12/06/2016
Roy Rempt hat einen Kommentar geschrieben
..gerne können wir uns mal treffen um die günstige Nutzung des "PiratenPad" zu trainieren. Das wäre dann auch was ganz 'Praktisches', wozu sich die Organisation eines Treffens lohnt und auch der Aufwand sich auf den Weg zu begeben und gegenüber den Enkeln und folgenden Generationen zu rechtfertigen. :)
12:22 12/06/2016
Roy Rempt hat einen Kommentar geschrieben
..ich habe jedenfalls keine Lust zu Treffen zu fahren auf denen Prof's Ideen und Fragen einsammeln wollen und diese Treffen zudem für Werbeverkaufs-Propaganda für ihre zukünfigen Ergüsse in Buch-Form nutzen. :( ..Gerne fahre ich aber zu Treffen, auf denen Skill-Sharing stattfindet, wo also Meneschen ihre praktischen Erfahrungen, erlernbare Praktiken herzeigen und ermöglichen, diese zu lernen. Einst gab es dafür ein Kollektiv das ein 'Wiki' dafür nutzte, zur Bescheibung solcher Praktiken und zur Organisation von 'Skill-Sharing-Camps' auf denen voneinander auf gleicher Augenhöhe gelernt wurde, weil jede/r von jedem/jeder lernen konnte und alles was es zu lernen gibt, was sich zeigen lässt und was gewünscht wurde, voneinander zu lernen. Das Wiki wurde vom Netz genommen, aber es wird sicher noch irgendwo bewahrt. > http://wiki.tsolife.org/ ("Travelling School of Life")
Wenn Du Dich jemand berufen fühlst, ein solches Wiki zu betreiben, kannst Du Dich an mich wenden. :)
12:42 12/06/2016
Sunna Kovanen hat einen Kommentar geschrieben
@Alexander, wenn du das Buch von Friederike Habermann meinst, das ist doch schon veröffentlicht z.B. (http://www.kleinerbuchladen.de/ https://feministischeoekonomie.wordpress.com/2012/10/24/friederike-habermann-ecommony-strukturelle-gemeinschaftlichkeit-statt-negatives-wachstum/ ). Bezüglich des Manuskripts von Dr. Ronge, habe ich wenigstens nicht gehört, ob es zuletzt als Buch veröffentlicht wird, oder wie.. Der Text ist also als Zusammenfassung und Einleitung zur Seminararbeiten von StudentInnen an der HU während einer Kurs über SÖ geschrieben worden. Wielleicht hat jemanden dabei das besser gehört, was eigetlich mit dem Manuskript, als es fertig ist, passiert :)
12:57 15/06/2016
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