Zu Gast in der Theoriewerkstatt Postwachstum war dieses mal Dr. Bastian Ronge, der an der Humbold Universität Berlin im Fachbereich Philosophie unterrichtet. Das von ihm präsentierte Manuskript behandelt die Fragestellung eines philosophischen Konzeptes für Solidarische Ökonomie. Zu den Zuhörerenden zählten neben Studierenden aus Eberswalde und Berlin auch Dozentinnen der Alice-Salomon-Hochschule und Frederike Habermann (neuestes Buch: Ecommony)
Auf der Suche nach einer positiven Definition Solidarischer Ökonomie
Das Manuskript kritisierte die aktuelle Tendenz, Solidarische Ökonomie als „anti-kapitalistische“ und so also in Negationen und Antagonismen zu definieren. Auf die Philosophen Laclau und Mouffe verweisend, bleibt diese negative Logik der Äquivalenz zu schwach, weil sie zum Beispiel autoritäre oder nationalsozialistischen Projekten ermöglicht, sich als Teil der Solidarischen Wirtschaft zu definieren, solange sie sich als antikapitalistisch verstehen. Dies würde die innere Kohärenz und Glaubwürdigkeit der ganzen Bewegung untergraben.
Mit einer positiven Definition, kann Solidarische Ökonomie (SÖ) mit hegemonialen Ideen des Kapitalismus als zentrale und übergeordnete Form der Wirtschaft und die Märkte brechen, mit denen jede andere Wirtschaftstheorie verglichen werden muss. Ökonomie kann und sollte als etwas anderes und größeres als der Kapitalismus verstanden werden, und daher braucht die Solidarische Ökonomie ein positives Selbstverständnis.
Nach Ronge könnte ein solches Konzept mit einem positiven Inhalt durch den Ansatz der „Lebensform“ beschrieben werden. Lebensform ist eine Anzahl von verschiedenen Praktiken, deren zugrundliegende gemeinsame Prinzipien die Art der Lebensform bestimmen. In der kapitalistischen Lebensform, wäre Berechnung des eigenen Vorteils ein solches Prinzip das die Performanz aller anderen Praktiken, von religös bis künstlerisch bestimmt.. In einer idealen Lebensform von SÖ im gegensatz dazu, wird das Prinzip der Solidarität, als Kooperation und Austausch priorisiert. Austausch von Waren und Dienstleistungen ohne monetäre Märkte also, welcher heute nahezu ausschließlich alle anderen Prinzipien ersetzt.
Diskussion und Kritik
Die anschließenden Diskussion thematisierte nicht nur die Theoriebildung, sondern brachte auch eine Menge Fragen und Kritik hervor. Viele Fragen hatten den Wunsch einer Definition des Wirtschaftsbegriffes als Hintergrund, welche Ronge allerdings nicht geben wollte. Kreative Unklarheiten entstanden so in Hinblick auf Frage, ob SÖ und Kapitalismus nur Unterformen eines weitergefassten Wirtschaftsbegriffes, welcher die Idee der Wirtschaft als "ein Mensch Instrument um universelle Bedürfnisse zu erfüllen". Wenn diese Kategorisierung zu trifft, wie kann SÖ dann als eine Kraft verstanden werden, etwas Neues, und zwar über den Kapitalismus hinausgehenden zu schaffen?
Ein weiterer Kritikpunkt betraf die positive Definition von Solidarität, die immer noch Teil der austehenden Arbeit ist, um den Text abzuschließen. Ronge plädierte für eine Defintion von Solidarität auf der Basis von politischen Affekten, die zwar singulär sind, aber in Richtung Universalität streben. Einige kritische Stimmen, zogen es wiederrum vor,, die Definition auf die Grundlage von Moralphilosophie und universellen logischen Kriterien für alle Menschen zu stellen, anstatt auf den emotionalen Bereich zu verweisen.
Schließlich wurde der Text auch als Möglichkeit diskutiert, das Konzept über einen halboffene wissenschaftlichen Prozess und parallel dazu der Zusammenarbeit mit der Praxis zu realisieren. Eine Definition aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft auf dem Gebiet der heterodoxen, politisch orientierten und unterschiedlichen Akteuren wäre am Ende resilient, wenn sich nicht gemeinsam mit der und durch die Praxis entwickelt wurde . Ich habe die Diskussion als lebendig und produktiv erlebt, die politische Praxis und theoretische Kritik miteinander verbindend. Ich bin glücklich, einen informellen Ort gefunden zu haben, in dem ich andere Fachleute und Aktivisten auf dem Gebiet treffen kann.
Wenn Du Dich jemand berufen fühlst, ein solches Wiki zu betreiben, kannst Du Dich an mich wenden. :)