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MehrWert: Eine Restaurant-Installation gegen Lebensmittelverschwendung

Die Thematik der Lebensmittelverschwendung ist groß und bleibt komplex. In einer interessanten Zusammenarbeit mit Aktiven und Initiativen haben die Guerilla Architects und zwei Künstlerinnen sich dem Problem nun angenähert. Daraus entstand die interaktive Restaurant-Installation „MehrWert“, die aktuell in der Entretempo Kitchen Gallery in Prenzlauer Berg ihren Platz findet. Eine interaktive Restaurant-Installation also – was steckt da dahinter?

von Anne-Sophie Rebner
Themen Öffentlicher Raum Bildung Gesellschaft Kultur Lebensmittel und Ernährung Upcycling
9 März 2017

Manche haben schon gedacht, dass in der Senefelderstraße im Prenzlauer Berg ein buntes neues Fast-Food-Restaurant eröffnet hat und sind neugierig hineingelaufen. Was sie dann feststellten: Es handelt sich hier nicht um einen neuen Spot für schnelles Essen, sondern um die interaktive Restaurant-Installation „MehrWert“, die vom 19. Februar bis zum 18. März in der Entretempo Kitchen Gallery stattfindet.

Die kleine Galerie in der Nähe der Prenzlauer Allee könnte man zurzeit tatsächlich mit einem Restaurant im Stil amerikanischer Diner verwechseln. Von den Stühlen bis zum Schriftkonzept erinnert alles stark an eine ganz bestimmte Fast-Food-Kette und das ist auch so beabsichtigt. Die Guerilla Architects in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Tabea Mathern und Tainá Guedes von der Entretempo Kitchen Gallery haben gemeinsam schon seit einem Jahr an dem Konzept gearbeitet. In der Galerie stehen nun Tische und Stühle, hinten findet sich eine Theke mit Getränkekühlschrank, Kaffeemaschine, Tabletts und Alutellern, die an amerikanische Großkantine erinnern.

Das Spannendste ist aber auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen: Alle benutzten Materialien wurden gerettet, wären also sonst ungenutzt geblieben oder weggeworfen worden. So stammen die Stühle zum Beispiel aus einer Kirche, in der sie einfach im Keller standen und Platz wegnahmen. Die Guerilla Architects haben sie wegtransportiert, aufgearbeitet und neu angemalt. Jetzt stehen sie rot glänzend und wie neu im Restaurant.

Die Initiatorinnen, tatsächlich ist es eine Gruppe von sechs Frauen, die das Konzept für MehrWert entwickelt und umgesetzt hat, wollen mit dem Projekt auf die Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen und Alternativen aufzeigen. Immer noch werden weltweit über ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weggeworfen und die Lebensmittelverschwendung macht einen erheblichen Teil der Belastung für die Umwelt aus. Für einen einzigen Hamburger werden 2400 Liter Wasser verbraucht, das sind sechzehn Badewannen voll. Damit setzt das MehrWert-„Schnellrestaurant“ an einer wichtigen Stelle an, verpackt die Botschaften aber gekonnt, sodass Besucher ganz unauffällig an das Thema herangeführt werden.

Innerhalb der Öffnungszeiten der Galerie ist auch MehrWert geöffnet. Man kann sich hinsetzen und gemütlich einen Kaffee oder selbst gemachte Getränke gegen Spende trinken. Zusätzlich veranstaltet MehrWert während der Ausstellungszeit Informationsveranstaltungen, Workshops und vor allem ganz besondere Abendessen mit geretteten Lebensmitteln, die sonst in der Tonne gelandet wären.

Die Künstlerinnen haben während der Vorbereitung ganz gezielt auch auf die Verbindung mit Projekten gesetzt, die sich mit dem Thema Lebensmittelverschwendung beschäftigen. Sie haben einige Leute angesprochen wie zum Beispiel The Real Junk Food Project, das Lebensmittel vor der Tonne rettet und damit kocht, das ebenfalls mit überschüssigen Zutaten arbeitende Restaurant Restlos Glücklich oder Valentin Thurn, der für Dokumentarfilme wie Taste the Waste bekannt ist. Es gibt erstaunlich viele kleine und große Projekte, die zum Thema Lebensmittelverschwendung gerade aus dem Boden sprießen. Und wie das in kleinen Netzwerken so funktioniert: Wenn einer mitmacht, wissen alle anderen auch ganz schnell davon. Das hat bei MehrWert super geklappt und so finden sich viele Akteure der Waste-Free-Bewegung dort wieder und füllen es mit leckerem geretteten Essen.

Sogar einen foodsharing-Fairteiler gibt es temporär hinter dem Eingang, also zwei Fächer, in denen Brot und Gemüse liegen. Jeder kann hineinlegen und mitnehmen, was er mag und den Lebensmitteln eine neue Verwendung geben.

The Real Junk Food Project und hat schon gekocht, am 12. März findet noch ein Amerikanisches Dinner mit Restlos Glücklich statt und zur Finissage am 18. März kochen Slow-Food Youth Berlin und Wam Kat von der Fläming Kitchen eine Schnippel-Disko-Suppe, inklusive gemeinsamem Kartoffeln schälen und Musik. Bei den Abendveranstaltungen ist manchmal auch das charmante Kellner-Duo dabei, das die Gäste im stilechten Kostüm bewirtet.

Dabei bekommen Besucher ganz nebenbei auf verschiedenste Arten Informationen zum Thema Lebensmittelverschwendung und dem richtigen Umgang mit Lebensmitteln. Auf den Papieren auf den Tabletts, auf denen normalerweise aktuelle Angebote gezeigt sind, stehen hier Rezepte zum Kochen mit Resten und eine Anleitung zum Lagern von Gemüse. Auf Aufstellern stehen noch weitere Informationen und es gibt sogar ein eigens produziertes Radioprogramm zum Thema, das im Hintergrund läuft.

Genau das ist der Hintergedanke von MehrWert. Spielerisch sollen sich die Gäste an das Thema annähern, der Überraschungseffekt macht Spaß und es gibt auch noch leckere Getränke, die man danach mit Anleitung zu Hause nachmixen kann.

Die interaktive Ausstellung verbindet Information mit Aktion und Essen mit Kunst. Dabei ist die Installation an sich schon ein Zeichen dafür, dass es auch anders geht. Die Ausstattung kommt dem Original erstaunlich nahe, ist aber nur aus ausrangierten Materialien gebaut. Das Essen ist besser als in jeder Fast-Food-Kette, wäre aber sonst auch einfach nur im Müll gelandet.

Bis jetzt war die Installation ein voller Erfolg, die Guerilla Architects überlegen schon, ob sie ihre eigenen Ressourcen auch noch einmal wiederverwenden können und das Restaurant noch einmal woanders aufbauen. Dafür suchen sie im Moment noch Räume und freuen sich über jede Meldung. Wer MehrWert noch besuchen will, findet es bis zum 18. März, Dienstag bis Freitag von 11 bis 15 Uhr in der Senefelderstraße 29 im Prenzlauer Berg. Die Events, die noch kommen, findet Ihr in unserem Veranstaltungskalender.

Titelbild
Urheber: Tabea Mathern ; www.tabeamathern.com

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