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Was ist das gute Leben und wie kann es erreicht werden? Eine Antwort aus Lateinamerika

Vom 20. – 29. April veranstaltet der Verein FairBindung eine Veranstaltungswoche zum Thema ‚Buen Vivir – Ein gutes Leben für Alle!’ mit zahlreichen Workshops, Vorträgen und Filmvorführungen. Diese wollen uns das ‚Buen Vivir’-Konzept vorstellen, welches uns Inspirationen für ein Leben jenseits von Wachstum, Konsum, Konkurrenz und Umweltzerstörung mitgeben kann.

von Alexander Wenzel
Themen Gesellschaft Lebensstil Wirtschaft
13 April 2017

Seit der Antike beschäftigt die Menschen die Frage nach dem guten Leben – so sprach schon Aristoteles vom ‚Eu zen’, dem rechten und guten Leben. Doch auch in der nichtwestlichen Welt existiert ein Konzept des guten Lebens. Aus dem Anden- und Amazonasraum, wo es ein zentrales Prinzip in der Weltanschauung indigener Gruppen darstellt, kommt das ‚Buen Vivir’ beziehungsweise ‚Sumak Kawsay’ auf Quetchua, bei welchem ein solidarisches Miteinander der Menschen im Mittelpunkt steht. Es geht jedoch nicht nur um das Wohl des Menschen, sondern um ein materiell genügsames Leben in Harmonie und Einklang mit der Natur. Ziel ist es laut Präambel der ecuadorianischen Verfassung „eine neue Form des Zusammenlebens der Bürger und Bürgerinnen in Vielfalt und Harmonie mit der Natur aufzubauen, um das gute Leben, das Sumak Kawsay zu erreichen.“ Zu diesem guten Leben gehört laut Verfassung auch das Recht auf Ernährung, Gesundheit, Erziehung und Wasser.

‚Buen Vivir’ wurde 2008 auf Initiative von Alberto Acosta, dem damaligen Präsidenten der verfassungsgebenden Versammlung, als Staatsziel in der Verfassung von Ecuador verankert. Die Etablierung des ‚Sumak Kawsay’ im politischen System Ecuadors symbolisiert damit auch einen Paradigmenwechsel zum vormals neoliberal geprägten wirtschaftlichen und politischen Handelns sowohl internationaler Organisationen als auch nationaler Institutionen in Ecuador. Dem Beispiel Ecuadors folgend hat das ‚Sumak Kawsay’ 2009 auch Einzug in die Verfassung Boliviens gehalten.

Alberto Acosta, Mitinitiator und Vorkämpfer für das ‚Buen Vivir’, ist ein Kenner beider Welten – sowohl der südamerikanischen, als auch der westlichen. Vor seinem Eintritt in die Politik Ecuadors studierte Acosta in Köln zuerst Betriebswirtschaftslehre, dann Volkswirtschaftslehre und war zwischen 1970 und 1979 als Attaché und Vizekonsul an der Botschaft in Bonn tätig. Für seine Leistungen auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen erhielt er 1979 auch das Bundesverdienstkreuz. Nach seiner Rückkehr nach Ecuador war er für verschiedene staatliche Institutionen tätig und hatte Lehraufträge an zahlreichen Universitäten inne, bevor er dann 2007 zum Minister für Energie und Bergbau ernannt wurde. Als Präsident der verfassungsgebenden Versammlung war er dann 2008 maßgeblich daran beteiligt, dass das ‚Buen Vivir’ in der Verfassung Ecuadors verankert wurde.

Neben seinem Engagement für das ‚Buen Vivir’ sorgte Alberto Acosta mit der Yasuni-Initiative für weltweite Aufmerksamkeit. So war er entscheidend am Vorschlags Ecuador beteiligt, auf die Förderung eines bedeutenden Ölvorkommens von mehreren hundert Millionen Barrel Öl unter dem Yasuni-Nationalpark zu verzichten, wenn sich die internationale Gemeinschaft im Gegenzug dazu bereit erklärt hätte, das Land für die entgangenen Öleinnahmen finanziell zu entschädigen. Der Yasuni-Nationalpark ist eines der artenreichsten Gebiete der Erde, Heimat zahlreicher indigener Völker und wurde 1989 von der UNESCO zum Weltnaturerbe ernannt. Darüber hinaus hätte der Förderungsverzicht den Ausstoß von 400 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid verhindern können. Da jedoch der erhoffte Betrag an Ausgleichszahlungen nicht zustande kam, wurde 2016 unter Präsident Rafael Correa mit der Ölforderung begonnen. Gegen Amtsinhaber Correa trat Alberto Acosta auch bei der Präsidentschaftswahl Ecuadors 2013 an, musste sich diesem jedoch geschlagen geben. Acosta, der mit ‚Buen Vivir Sumak Kawsay’ ein Buch zum Thema verfasste (2015 auch in deutscher Sprache erschienen), lehrt zur Zeit als Professor für Ökonomie an der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften in Quito.

Als Höhepunkt der Veranstaltungswoche vom 20. – 29. April, organisiert von FairBindung e.V., wird Acosta auch vor Ort in Berlin sein. So wird er im Rahmen einer Tour durch Deutschland zusammen mit der Musikgruppe ‚Grupo Sal' am 25. April bei einer Konzertlesung im Konzertsaal der Freien Waldorfschule Kreuzberg Einblicke in das ‚Buen Vivir’ - Konzept geben, über seine Erfahrungen in der politischen Umsetzung berichten und uns vielleicht Antworten zu den Fragen, was das gute Leben ist und wie es erreicht werden kann, etwas näherbringen – wir sind gespannt.

Titelbild
Urheber: FairBindung e.V.

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