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Erster Erfolg für die Initiative ‚Stadt von Unten’ beim Tauziehen um das Dragoner-Areal

Beim Streit um das Kreuzberger Dragoner-Areal, welcher als exemplarisch für die Themen Stadtentwicklung und sozialer Wohnungsbau betrachtet werden kann, kann mit dem Löschen der Eigentums-Vormerkung für den Wiener Investor im Grundbuch ein weiterer Erfolg für Berlin und die Initiative ‚Stadt von Unten’ verzeichnet werden. Wir sprachen dazu mit Linda Schneider und Lilian Weiche von ‚Stadt von Unten’.

von Alexander Wenzel
Themen Öffentlicher Raum Soziales Wohnen Nachbarschaft
22 März 2017

Das 47.000 Quadratmeter große Dragoner-Areal in Kreuzberg ist eines der letzten großen Baugrundstücke in der Stadt und steht damit sinnbildlich sowohl für das weitere Vorgehen Berlins beim Thema sozialer Wohnungsbau als auch die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern über die geeignete Verwendung von Liegenschaften des Bundes. 2015 wurde das Areal, welches Bundesvermögen ist, von der dafür zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in einem Bieterverfahren verkauft. Der Zuschlag ging zum Höchstgebot von 36 Millionen Euro an die Dragonerhöfe GmbH, einen Investor aus Wien. Das Land Berlin hätte das Areal gerne selbst erworben. Jedoch konnten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nur bis zu einem Maximalgebot von 18 Millionen Euro mitbieten.

Hier kam nun die Initiative ‚Stadt von Unten’, ins Spiel. Die Initiative, welche aus Anwohnern, Aktivisten und zahlreichen weiteren Beteiligten besteht, hat sich 2014 gegründet, um sich für die Entwicklung des Geländes hin zu einem Modellprojekt der sozialen Stadtentwicklung stark zu machen. Ihr Modell „selbstverwaltet und kommunal“ für das Dragoner-Areal sieht unter anderem rund 700 Mietswohnungen zu 100% sozial verträglichen Mieten, Platz für Kleingewerbe und Ateliers, kulturelle Orte mit sozialer Infrastruktur und gemeinschaftlich organisierte öffentliche Räume vor. Laut Linda Schneider und Lilian Weiche von der Initiative lag vom Investor hingegen weder ein klares Konzept zur Entwicklung des Areals vor, noch war zu erwarten, dass dieser bei einem Kaufpreis von 36 Millionen Euro in sozialen Wohnungsbau auf dem Gelände investieren würde. Die Initiative initiierte deshalb mehrere Protestaktionen, um einen Widerstand gegen die Privatisierung zu mobilisieren. Vor allem ging es darum, eine Öffentlichkeit zu schaffen und auf den bevorstehenden Verkauf aufmerksam zu machen, von welchem die Anwohner und die auf dem Gelände ansässigen Gewerbetreibenden keinerlei Kenntnis hatten. Der von ‚Stadt von Unten’ und anderen beteiligten Initiativen organisierte Widerstand und Protest gegen den Verkauf wurde dann auf politischer Ebene, sprich vom Berliner Senat, aufgegriffen. Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) organisierte eine Blockade des Verkaufs im Bundesrat, welcher beim Verkauf von Bundesvermögen zustimmen muss, sodass am Ende eine Mehrheit der Ländervertreter gegen den Verkauf stimmte. Zwar gab es hier keine direkte Zusammenarbeit zwischen der Initiative und der Stadt, aber ein übereinstimmendes Interesse, den Verkauf zu verhindern. Trotz der Ablehnung im Bundesrat weigerten sich das Finanzministerium unter Wolfgang Schäuble und die ihm unterstehende BImA zuerst den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Mehr als ein Jahr dauerte dieses Tauziehen bis im November 2016 dann Bund und BImA endlich erklärten, den Verkauf rückgängig machen zu wollen.

Die vor Kurzem erfolgte Löschung der Eigentums-Vormerkung im Grundbuch für die Dragonerhöfe GmbH in Wien stellt einen weiteren Schritt hin zu einer vollständigen Rückabwicklung des Vertrages dar und kann als Erfolg sowohl für die Initiative, als auch die Stadt verzeichnet werden. Die Initiative ‚Stadt von Unten’ ist optimistisch, dass das Kaufvertrag darüber hinaus auch in Kürze vollständig rückabgewickelt wird und die Liegenschaft in den Besitz der Stadt übergeht. Diese blieb in der Zwischenzeit auch nicht untätig - so hat der Berliner Senat das Areal zum Sanierungsgebiet erklärt, was dem Bezirk ermöglicht, Einfluss auf die Art der Bebauung und deren Nutzung zu nehmen. Die dadurch eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten sollen höchstbietende Investoren abschrecken, was auch dazu führte, dass der Bund erwog Klage gegen das Land Berlin zu erheben.

Die Initiative sieht ihre Arbeit jedoch noch nicht als beendet an. So will sie weiterhin aktiv bleiben und „den Druck von unten“ hochhalten“ um ihre Vorstellungen Wirklichkeit werden zu lassen. Dies heißt, sowohl weiterhin durch Aktionen auf die Thematik aufmerksam zu machen, als auch bei öffentlichen Prozessen, wie dem nun voraussichtlich folgenden städtebaulichen Wettbewerb, zu intervenieren. Die Initiative strebt hier an auf die grundlegenden Parameter und Zielsetzungen der Ausschreibung Einfluss zu nehmen und zum Beispiel in Form eines Sitzes in der Jury beteiligt zu werden. Es geht der Initiative ‚Stadt von Unten’ nämlich nicht um den Entwurf eines expliziten architektonischen Modells, sondern darum, dass ihre Forderungen, wie 100% Mietwohnungen, 100% soziale Mieten und 100% abgesichert (heißt Ausschluss einer künftigen Re-Privatisierung) bei der kommenden Planung des Areals Gehör finden. Über das Dragoner-Areal hinaus, geht es der Initiative auch darum, ein Modell für die zukünftige Gestaltung eines städtebaulichen Planungsprozesses ‚von Unten’, welcher alle beteiligten Akteure berücksichtigt, zu liefern und damit die Möglichkeit einer anderen, demokratischeren Art der Stadtentwicklung für die Zukunft aufzuzeigen.

Der hier beschriebene Erfolg der Initiative ‚Stadt von Unten’ zeigt, was eine stadtpolitische Initiative erreichen kann und lässt auf ein Umdenken der Stadt bei der Entwicklung von öffentlichen Liegenschaften hin zu einer sozialeren und inklusiveren Stadtentwicklung hoffen.

Titelbild
Urheber: Stadt von Unten

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